Ökosystemleistungen urbaner Grünflächen
Neben den agrarisch (ca. 50 Prozent) und forstlich (ca. 30 Prozent) genutzten Flächen ist der Anteil für Siedlung und Verkehr mit ca. 15 Prozent die drittgrößte Flächen-Nutzungsart in Deutschland 1. Sie wuchs von 2016 bis 2020 um 0,7 Prozent, also um 2.438 Quadratkilometer, und ist somit die am dynamischsten wachsende Nutzungsart in Deutschland. Deutlich mehr als die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche (ca. 56 Prozent) ist unversiegelt und wird unter anderem als öffentliche Grünflächen inklusive Schrebergärten und private Hausgärten genutzt. Diese urbanen Grünflächen sind unversiegelte Böden und können einen wichtigen Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz leisten. In welchem Ausmaß diese Funktionen beziehungsweise Ökosystemleistungen von den Flächen erbracht werden können, hängt maßgeblich von den Standorteigenschaften und der jeweiligen Nutzung der Fläche ab.
In Ergänzung zu den Grünflächenämtern der Städte und Gemeinden sind es in erster Linie die Gartenbesitzer beziehungsweise Kleingärtner:innen, die maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung ihrer eigenen kleinen „Ökosysteme“ nehmen. In Deutschland bewirtschaften etwa 18 Millionen Freizeitgärtner:innen eine Gesamtfläche von circa eine Million Hektar 2. Würde man auf dieser Fläche Kartoffeln anbauen, könnten circa 660 Millionen Menschen pro Jahr mit Kartoffeln versorgt werden. Neben dem Anbau von Nahrungsmitteln erfüllen die urbanen Grünflächen aber noch über eine Vielzahl weiterer Funktionen, wie die Abbildung der FAO 3 „Funktionen des Bodens“ verdeutlicht.
Klima und Böden
Böden speichern mehr CO2 als die gesamte Biosphäre (alle Pflanzen und Tiere) und Atmosphäre zusammen. Das CO2 der Atmosphäre wird in Böden in Form von abgestorbenen Pflanzenresten, dem sogenannten Humus, gespeichert. Diese auch als Kohlenstoffsequestrierung (siehe Abbildung) genannte CO2-Festlegung wird unter anderem durch die Art der Flächennutzung maßgeblich beeinflusst. Das bekannteste Beispiel für eine durch den Menschen beeinflusste Kohlenstofffreisetzung ist die Trockenlegung von Mooren. Aber auch die Abholzung von Wäldern sowie die Umwandlung von Grünland in Ackerflächen führt zu einem Humusabbau und damit zu einer Freisetzung von CO2. Neben dem CO2 gelangen dabei weitere klimarelevante Gase, wie zum Beispiel Methan (CH4) oder Stickoxide (NOx), in die Atmosphäre. Da dieser Vorgang reversibel ist, gibt es weltweite Bemühungen in der Forst- und Landwirtschaft die Humusgehalte der Böden durch ein gezieltes Nutzungsmanagement wieder anzuheben. Wenn man global diese Humusvorräte nur um 4 Promille, also 0,4 Prozent, jedes Jahr steigern würde, könnte man alle Treibhausgasemissionen weltweit kompensieren 4. Die Initiative „4 Promille“ („4 per 1000“ oder „4‰“) der französischen Regierung wurde während der Weltklimaverhandlungen im Dezember 2015 in Paris (COP21) vorgestellt. Auch öffentliche Grünflächen und private Hausgärten könnten durch vergleichsweise einfache Maßnahmen (Verzicht auf Torf, Gründüngung, Nutzung von Kompost, Mulchen, Anbau tiefwurzelnder Pflanzen etc.) einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ganz nebenbei wird die Bodenfruchtbarkeit durch die Anreicherung von Humus erhöht.
Biodiversität und Böden
Die oben genannten Maßnahmen zur Festlegung klimarelevanter Gase wirken sich in den meisten Fällen ebenfalls positiv auf die Bodengesundheit und das Bodenleben aus. Die Funktion von Böden als „Lebensraum für Organismen“ (siehe Abbildung) hat in den vergangenen Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen. Circa 25 Prozent der weltweiten Biodiversität befindet sich in unseren Böden, also unter der Erde. Unter einem Hektar Boden befinden sich etwa 15 Tonnen Mikroorganismen (zum Beispiel Bakterien, Pilze, Algen etc.) und Bodentieren (zum Beispiel Regenwürmer, Milben, Asseln etc.), das entspricht dem Gewicht von etwa 20 Kühen. Es leben also wesentlich mehr Organismen unter der Erde als auf dem Boden 5. Das Bodenleben ist, vergleichbar mit dem menschlichen Verdauungsapparat, für die Zerkleinerung und Freisetzung wichtiger Pflanzennähstoffe verantwortlich. Darüber hinaus beeinflusst eine Vielzahl von Synergien zwischen Boden-Bakterien und Pilzen mit dem Wurzelsystem die Gesundheit der Pflanzen. Ein gesundes und vielfältiges Bodenleben ist somit auch für die Biodiversität auf dem Boden verantwortlich. Viele Städte und Gemeinden berücksichtigen mittlerweile diese Erkenntnis und wandeln monotone Rasenflächen in vielfältige Pflanzengesellschaften um. Im privaten Bereich ist ebenfalls ein Trend zu mehr Biodiversität in den Gärten und damit auch eine Förderung des Bodenlebens zu verzeichnen. Allerdings verdeutlicht die Vielzahl der noch vorhandenen „Steingärten“ und Mähroboter, dass es noch viele Handlungsoptionen gibt, wenn es darum geht, die urbanen Grünflächen ökologisch aufzuwerten und somit das volle Potential der Ökosystemleistungen urbaner Böden auszuschöpfen.
Unter dem Motto „Gärtnern für den Umweltschutz“ hat das CitizenLab Umweltlabor der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg eine Reihe von Workshops und Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit Grünflächenämtern und Gärtner:innen aus der Region durchgeführt. Weiterführende Infos dazu finden Sie unter: https://www.h-brs.de/de/ctw/gaertnern-umweltschutz
Quellen
- Umweltbundesamt - Struktur der Flächennutzung
- Julius Kühn-Institut (Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen) - Baumschule, Öffentliches Grün, Haus- und Kleingarten
- FAO Infographic - Soils deliver ecosystem sevices that enable life on Earth
- The International “4 per 1000” Initiative
- Umweltbundesamt - Verlust der Biodiversität im Boden
Verfasser
Prof. Dr. Martin Hamer, Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE)