Küsten schützen
Mehr als eine Milliarde Menschen leben in Küstengebieten, von denen die meisten mittels Sand bebaut und erhalten werden, der hauptsächlich von Flüssen und Gezeitenströmungen geliefert wird. In der Küstenumwelt fungiert Sand als natürliche Barriere an der Grenze zwischen Land und Meer, verbindet terrestrische und marine Ökosysteme und stabilisiert die Küstenlinie. Die nachhaltige Nutzung der Sandressourcen spielt daher insbesondere eine entscheidende Rolle für die Erreichung von SDG 14 (Leben unter Wasser) und SDG 15 (Leben an Land) sowie für den Schutz von Land und Eigentum vor Küstenerosion und Unwetterereignissen (e.g. Sturmfluten).
Sand ist nach Wasser die am zweithäufigsten genutzte natürliche Ressource der Welt und wird viel schneller abgebaut, als er sich auf natürliche Weise regenerieren kann. Als der weltweit am meisten nachgefragte Baustoff, ist Sand die wichtigste Komponente für die Stadtentwicklung und das physische Rückgrat des urbanen Raums. Entgegen der weitläufigen Wahrnehmung, Sand sei im Überfluss vorhanden, können nur etwa 5 % der weltweiten Sandvorkommen für die Herstellung von Beton verwendet werden. Beispielsweise Strandsand ist aufgrund seiner einheitlichen Korngröße und unregelmäßigen Form besonders gut geeignet und begehrt. Außerdem befinden sich die Sandvorkommen in unmittelbarer Nähe der meisten Küstengebiete, in denen er benötigt wird und ist leicht und billig abzubauen. Ein abgebauter Strand bedeutet jedoch auch eine niedrigere Küstenlinie und kann daher das Risiko von Umweltkatastrophen und Klimaschäden erhöhen, indem er Küstenerosion oder die Versalzung von Trinkwasserquellen verursacht oder beschleunigt.
Even castles made of sand, fall into the sea, eventually.
Jimi Hendrix
Sand und Klimawandel
Der Zusammenhang zwischen Sand und Klimawandel ist maßgeblich, aber komplex. Auf der Seite des Klimaschutzes (‚mitigation‘) setzt der Abbau von Meeressand in den Sedimenten gebundene Treibhausgase frei (direkt). Darüber hinaus werden insbesondere bei der Betonherstellung enorme Mengen an CO2 freigesetzt (indirekt). Im Sinne der Anpassung an den Klimawandel (‚adaptation‘) schützt Sand aber auch die Küstenbevölkerung und wird zudem zur Landgewinnung oder zur Strandbefestigung (‚beach nourishment‘) genutzt. Der Erhalt der Sandressourcen als Küstenbarriere ist dabei die kostengünstigste Anpassungsstrategie an zunehmende Klimarisiken wie Überschwemmungen. Die Kosten für den Wiederaufbau der Infrastruktur nach einem Zyklon beispielsweise, der durch den Verlust der schützenden Strände mitverursacht wurde, übersteigen nicht die Gewinne, die durch den Abbau der Sandressourcen erzielt werden.
Sandressourcen sind anfällig für Übernutzung, da sie die Eigenschaften von Gemeingütern aufweisen, d. h. sie sind weit verbreitet, leicht auszubeuten und schwer zu regulieren. Da Sand häufig illegal aus flachen Küstengewässern gebaggert oder an Stränden abgegraben wird, stellt die schwache Regulierung von Sand eine ernsthafte Bedrohung für die Nutzenden von Küstenressourcen dar. Insbesondere die Urbanisierung der Küstengebiete hat zu einem beschleunigten Sandabbau beigetragen, der die Sandeinträge aus Flüssen, Küstendünen und Stränden bei weitem übersteigt. Der Sandabbau hat Ungleichheiten verschärft, gerade in Regionen mit begrenzter Governance, und vielerorts hat er den Küstengemeinden ihres natürlichen Schutzes beraubt, wodurch sie anfälliger für Klimarisiken geworden sind. Obwohl Sand in erster Linie als Rohstoff für den Bau oder die Landgewinnung angesehen wird, bietet er auch wichtige Brutstätten (z.B. Mangroven) und Fischgründe in flachen Küstengewässern und sichert so die lokale Lebensgrundlage vieler Communities. Der Sandabbau wirkt sich daher auch auf die Lebensgrundlagen aus, die auf den Zugang zu Sand angewiesen sind, wie z.B. die Fischerei oder die Landwirtschaft. Dies hat zur Folge, dass in einigen Teilen der Welt die Lebensgrundlagen dort, wo Sand zur Aufrechterhaltung der Stadtentwicklung und des Wirtschaftswachstums gewonnen wird, beeinträchtigt oder gefährdet werden.
Wie können wir nachhaltige Strategien entwickeln und umsetzen, um den übermäßigen Abbau von Sandressourcen zu verhindern?
Wir müssen die Nachhaltigkeitskrise im Zusammenhang mit Sand aufdecken, indem wir die Bedeutung und Tragweite von Sand sowohl in der Entwicklungs- als auch in der Klimapolitik anerkennen und formalisieren. Die Interessen der verschiedenen Akteure bei der Nutzung von Sandressourcen müssen genauso aufgezeigt werden wie die Zielkonflikte zwischen der Aufrechterhaltung des Wirtschaftswachstums auf der einen Seite und der Stärkung der Klimaresilienz, dem Verlust von Biodiversität und anderen Umweltzerstörungen auf der anderen Seite. Insbesondere Küsten- und Meeressand muss daher in den Mittelpunkt der Debatten über die ‚Blue Economy‘ gerückt werden, deren Grundlage er ist.
Ein rechtlicher Rahmen, insbesondere im Zusammenhang mit Strategien für ein integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM), ist für die Regulierung, das Monitoring und die Governance des Sandabbaus unerlässlich. Dieser muss lokale Communities, die auf den Zugang zu Sand angewiesen sind, berücksichtigen und ihre Partizipation stärken, damit sie nicht durch Sandabbau oder Infrastrukturprojekte marginalisiert werden.
Sand muss auf die globale Nachhaltigkeitsagenda gesetzt werden, nicht nur als wichtiger Rohstoff für die Erschließung urbaner Räume, sondern auch als integraler Bestandteil von Fluss- und Meeresökosystemen. Nachhaltigkeitsfragen im Zusammenhang mit Sand müssen daher im Rahmen der UN-Dekade „Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung“ behandelt werden.
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Verfasser
Dennis Schüpf und Felix Brentrup, German Institute of Development and Sustainability (IDOS)