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Kommunikationswelten

Gibt es ein universales Erfolgsrezept für Kommunikation zu den Nachhaltigkeitszielen? Wahrscheinlich nicht. Je nach kulturellem und medialem Umfeld sind sehr unterschiedliche Kommunikationsstrategien erforderlich. Nichtsdestotrotz kennen gute Ideen (fast) keine Grenzen: Es gibt viel, was professionelle Kommunikatoren aus den Erfahrungen anderer Länder lernen können.

Wenige internationale Organisationen basieren derart auf der Idee, voneinander zu lernen, wie die OECD – die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Eine Abteilung der OECD, das Development Assistance Committee (DAC), untersucht in regelmäßigen Abständen die Entwicklungshilfeaktivitäten der Mitgliedsländer. Diese sogenannten DAC Peer Reviews bewerten auch oft, wie die einzelnen Staaten über Entwicklung kommunizieren und wie sie das Bildungsziel der Global Citizenship Education umsetzen. Global Citizenship Education ist ein Konzept der politischen Bildung, das ein Bewusstsein für globale Verantwortung schaffen will. Schauen wir uns einmal an, was die aktuellen Peer Reviews beobachtet haben.

Wie kann eine positive Haltung der Öffentlichkeit zu Entwicklungszusammenarbeit in eine Bereitschaft überführt werden, mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben?

Wie das aktuelle Peer Review zu Portugal (Peer Review vom April 2022) feststellt, sind 71% der Portugiesinnen und Portugiesen der Meinung, Entwicklungszusammenarbeit solle eine Priorität der Regierung sein. Diese starke öffentliche und politische Unterstützung schlägt sich allerdings nicht in einem großen Budget für Entwicklungshilfe nieder. Während der Finanzkrise vor über einem Jahrzehnt brachen die Entwicklungsetats geradezu ein – auf weniger als 0,2% des Bruttoinlandsprodukts; sie haben sich nie wirklich erholt.

Was bedeutet das für das Kommunikationsteam von Camões, der Agentur, die die Entwicklungshilfeaktivitäten Portugals koordiniert? Wie kann man politische Institutionen und die Öffentlichkeit vom Sinn höherer Entwicklungsausgaben überzeugen? Das Review rät der Regierung zunächst einmal dazu, mehr Ressourcen für die Kommunikation zur Verfügung zu stellen. Den Kommunikatoren legt der Bericht nahe, ein neues Narrativ zu entwickeln: Sie müssen dem Publikum erklären, dass Entwicklungshilfe eine Langzeitinvestition ist, die dazu beiträgt, dass die ganze Welt sich auf einem Pfad nachhaltiger Entwicklung weiterbewegt.

Auch in Dänemark (Peer Review vom September 2021) sprechen sich die Bürger im Großen und Ganzen für Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungshilfe aus. Die Kommunikationsbemühungen der Regierung versuchen das Thema jungen Leuten nahezubringen und darüber hinaus vor allem Gesellschaftsgruppen anzusprechen, die dem Konzept der Entwicklungshilfe gegenüber traditionell skeptisch eingestellt sind. Hier stehen die Kommunikationsexperten allerdings vor einer großen Herausforderung: Oft stellen Politiker Entwicklungszusammenarbeit als eine Strategie zur Verhinderung illegaler Einwanderung nach Dänemark dar. Dieses Argumentationsmuster kann zu weiterem politischen Konflikt führen und ist nicht unbedingt hilfreich, wenn es darum geht, Menschen von der Notwendigkeit der Entwicklungshilfe zu überzeugen. Der Bericht hat zwei Ratschläge für Dänemark:

  • Entwickelt ein breiter und längerfristig angelegtes Narrativ vom Nutzen eines stabilen, gerechten, nachhaltigen und wohlhabenden Planeten!
  • Nutzt die zunehmende öffentliche Besorgnis über Folgen des Klimawandels als eine Gelegenheit, die Notwendigkeit weltweiter Solidarität zu erklären!

Wie kann Kommunikation Bürger aktivieren und zu Verhaltensänderungen ermuntern?

In Deutschland (Peer Review vom Juni 2021) halten etwa 90% der Bürger Entwicklungszusammenarbeit und Hilfe für Menschen in Entwicklungsländern für wichtig. Schüler und Studierende z.B. haben ein deutlich ausgeprägteres Bewusstsein für globale Probleme als ihre Altersgenossen in anderen OECD-Ländern. Die Regierung bemüht sich sehr darum, über das Bildungssystem ein globales Bewusstsein und Unterstützung für Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. Von 2015 auf 2020 haben sich die Ausgaben für dieses Ziel beinahe verdoppelt – auf 45 Millionen Euro. Es gibt auch landesweite Kampagnen wie die „17 Projektionen“.

Das führt zu der Frage: Inwieweit führt Bewusstsein tatsächlich zu Engagement? Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Deutschen in Bezug auf Entwicklungsthemen entweder „marginal engagiert“ oder „völlig desengagiert“ sind. Wobei als Engagement hier schon Handlungen wie das Verfolgen der Nachrichten oder gelegentliches Spenden gezählt werden. Angesichts dieser auffälligen Diskrepanz zwischen Bewusstsein und Engagement empfiehlt der Bericht den Kommunikatoren in Deutschland, sich stärker darauf zu konzentrieren, Verhaltensänderungen zu fördern.

Wie kann Kommunikation ein Gleichgewicht zwischen Erfolgsgeschichten und Risikobeschreibungen finden?

Belgien (Peer Review vom November 2020) bekommt von den Autoren des Berichts Bestnoten wegen eines „beispielhaften Einsatzes für Global Citizenship Education“. Beim Blick auf erfolgreiche Bemühungen, Wissen zu verbreiten, das Bewusstsein zu schärfen und weltbürgerliche Werte zu fördern, identifiziert der Bericht eine Reihe guter Praktiken:

  • Der belgische Ansatz nimmt sowohl Multiplikatoren (wie die Medien oder Politiker) als auch junge Leute in den Blick.
  • Eine systematische Evaluierung von Ergebnissen identifiziert Erkenntnisse und hilft, die Kommunikation ständig zu verbessern.
  • Strategische Koordinierung vereint die Bemühungen von Regierung, Schulen, Medien, politischen Körperschaften und Zivilgesellschaft.

Diese Arbeit ist solide finanziert; im Durchschnitt werden jedes Jahr 1,46% des Entwicklungsetats für Bildungszwecke ausgegeben. Unter anderem auch deshalb ist die öffentliche Zustimmung zu Entwicklungshilfe mit 87% sehr groß. Der Bericht verweist mit Blick auf die Zukunft aber auch auf eine Herausforderung: Belgiens Narrativ zur Entwicklungshilfe konzentriert sich stark auf Erfolgsgeschichten und blendet tendenziell Risiken und Probleme aus. Der Bericht empfiehlt den Kommunikatoren in Belgien, realistischer über ihr Thema zu berichten, um das Publikum auch auf mögliche Rückschläge vorzubereiten.

Kommunikatoren in Großbritannien (Peer Review vom November 2020) arbeiten in einem konfliktträchtigen Umfeld. Einerseits gibt es große öffentliche Zustimmung zu Entwicklungszusammenarbeit (89%); andererseits gibt es das, was der Bericht als „hetzerische und feindselige Elemente der britischen Medien“ bezeichnet. Daher verwenden Kommunikatoren eine Menge Energie darauf, Entwicklungszusammenarbeit vorsorglich gegen öffentliche Kritik zu verteidigen – durch Faktenchecks, Widerlegung falscher Behauptungen und Auseinandersetzungen mit Kritikern.

Das Entwicklungsministerium (das mittlerweile mit dem Außenministerium verschmolzen wurde) arbeitet seit langem mit Forschungsergebnissen zur öffentlichen Meinung und hat mehrere kreative Kommunikationsformate entwickelt, die auf verschiedene Zielgruppen zugeschnitten sind, vor allem auf Journalisten, Politiker und die breite Öffentlichkeit. Das Aid Match Programm belohnt beispielsweise erfolgreiches öffentliches Engagement, indem es die Spendengelder verdoppelt, die Wohltätigkeitsorganisationen für Entwicklungsprojekte eingeworben haben. Allerdings konzentriert sich Kommunikation sehr oft auf die Aspekte von Spenden und Wohltätigkeit. Die Autoren des Berichtes empfehlen den britischen Kommunikatoren, mehr Nachdruck auf die Förderung weltbürgerlicher Ideen von globaler Verantwortung zu legen.

Wie kann Kommunikation Teil der Populär-Kultur werden?

Die Herausforderungen, denen sich Kommunikatoren in Japan (Peer Review vom Oktober 2020) gegenübersehen, sind ganz anderer Art. Hier ist das Wissen der Bürger über Entwicklungszusammenarbeit traditionell sehr gering – und damit auch die öffentliche Unterstützung des Themas. Zwar hat sich die Zustimmung zu staatlicher Entwicklungshilfe während des letzten Jahrzehnts verdreifacht, liegt aber auch damit bei gerade einmal 30%.

Um diese Werte zu verbessern, haben die japanischen Entwicklungskommunikatoren eine Strategie gewählt, die das Thema Entwicklungshilfe mit der japanischen Populär-Kultur zusammenbringt.

  • 2018 stellten sie die beliebte Hello Kitty Figur als Botschafterin für Entwicklungshilfe vor. Später machte man einen populären Anime-Charakter zum Superhelden: als „ODA-Man“ (ODA = „Official Development Assistance“ – staatliche Entwicklungshilfe).
  • Japans Entwicklungshilfeorganisationen veranstalten regelmäßig Infotainment-Veranstaltungen wie die Global Plazas oder das Japan Global Festa, um ein breites Publikum anzulocken und zu informieren.
  • SDG-Preise sind ein weiteres Element dieses unterhaltungsorientierten Ansatzes. Sie werden an Unternehmen, Schulen oder örtliche Verwaltungen verliehen, die sich besonders für die Nachhaltigkeitsziele einsetzen.

Die Autoren des Berichts stellen sich und den Lesern die Frage, ob die japanische Strategie nicht das Risiko birgt, einige Aspekte von Entwicklung zu trivialisieren. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen sie den japanischen Kommunikatoren, sich nicht nur auf Themen zu konzentrieren, die beim breiten Publikum populär sind.

Schlussfolgerung

Dieser kurze Überblick zeigt ein großes Spektrum an Herausforderungen, die vielleicht länderspezifisch sind, in ähnlicher Form aber für Kommunikatoren in der ganzen Welt Probleme darstellen mögen. In vielen Ländern ergibt sich aus einer generell positiven Einstellung gegenüber Entwicklungszusammenarbeit nicht automatisch die Bereitschaft, dafür auch Geld zur Verfügung zu stellen (siehe Portugal); die öffentliche Debatte wird vielleicht durch ein Thema verzerrt, das alle anderen Aspekte dominiert (Dänemark); ein Teil der Medien kultiviert eine weitverbreitete Feindseligkeit (Großbritannien); eine wohlgesonnene, aber passive Bevölkerung belässt es bei bloßen Lippenbekenntnissen zur Entwicklungszusammenarbeit (Deutschland); oder Bürger verstehen nicht, warum sie überhaupt zuhören sollten (Japan).

Wenn wir unsere Erfahrungen und Erkenntnisse teilen, erkennen wir besser, welchen Weg wir schon zurückgelegt haben, und in welche Richtung wir unsere nächsten Schritte lenken sollten. Das ist die Idee, die den Peer Reviews der OECD zugrunde liegt – und auch diesem Text!

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