Mehr als nur ein Spiel: Die norwegische SDG-Kampagne „Save Tropical House“
Norwegen engagiert sich schon lange stark für den Regenwald, doch den Jugendlichen des Landes war dieser Umstand weitestgehend unbekannt. Um daran etwas zu ändern, nahm sich die norwegische Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (Norad) mit Unterstützung der PR-Agentur Gambit HK Strategies im Jahr 2017 dieser schwer zu erreichenden Zielgruppe an. Um die Entfernung zu den weit entfernten Regenwäldern zu überbrücken, zielte die neuerschaffene Kampagne auf ein Herzstück der Jugendkultur ab: auf ihre Musik.
Zur Zeit der Kampagne dominierten die norwegischen Musiker Kygo und Matoma die internationalen Dance-Charts mit dem von ihnen geprägten Musikgenre „Tropical House“. Mithilfe der Comedians Odd-Magnus Williamson und Henrik Thodesen erfanden Norad und Gambit HK Strategies das Tropical-House-Duo „R.E.D.D.“. In ihren ironischen Songs zeigte sich das Duo bis ins Mark erschüttert über den Verlust von Regenwäldern – schließlich wäre ihr geliebtes Genre ohne die Tropen „nur noch House“.
Mittels Gamification wurde die Zielgruppe der Kampagne in das Projekt eingebunden. Dazu veröffentliche R.E.D.D. den unfertigen Song „Save Tropical House“. Im dazugehörigen Video rief das Duo alle Zuschauenden auf, selbst kreativ zu werden und den Song zu vervollständigen. Mit vorgefertigten Songfetzen konnte aus der Vorlage von R.E.D.D. auf einer Website ein individuelles Musikkunstwerk erschaffen werden. Um diese Elemente Stück für Stück freizuschalten, mussten die Teilnehmenden Fragen über die Tropen richtig beantworten. Die fertigen Kunstwerke traten in einem Wettbewerb gegeneinander an und der Gewinner-Song wurde auf Spotify veröffentlicht, wo er den vierten Platz der nationalen Top-50-Charts belegte.
Wortwitz und Humor kennzeichneten die Kampagne. Der Name des Musikerduos R.E.D.D. steht auch für „Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation“. Mit dem sinnfreien Aufzählen tropischer Orte und Reimen wie „Begging on my knees / don’t cut down the trees“ parodiert das Duo sein Genre.
„Save Tropical House“ ist nur eine von vielen Unternehmungen von Norad, SDGs in Norwegen zu bewerben. 2016, ein Jahr vor „Save Tropical House“, startete die Agentur eine Serie von „Erleuchtungswanderungen“ zu den Spitzen der norwegischen Berge und nutzte damit die Begeisterung der Bevölkerung für das Wandern. Mit solchen Kampagnen schaffte es Norad, das Bewusstsein über SDGs im eigenen Land von nur 35 Prozent im Jahr 2016 auf 50 Prozent im Folgejahr zu heben.
Ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte Norads ist auf die Nutzung von Big Data zurückzuführen, um ihre Publika zu identifizieren und zu segmentieren. Für „Save Tropical House“ half die Identifikation von Musikgeschmack, Gaming-Gewohnheiten und DJ-Begeisterung der Jugendlichen, die Kampagne auf eine scharf definierte und recht homogene Zielgruppe zuzuschneiden. Big Data hat allerdings auch Nachteile: Die Nutzung ist teuer und birgt das Risiko, dass das Micro-Targeting übergeordnete Kampagnenziele verwässert. Wenn man auf diese Risiken und auf Datenschutzbedenken achtet, kann die Segmentierung von Zielgruppen durch die Nutzung von Big Data jedoch ein starkes Instrument sein.
Im SDG-Bericht von 2016 betont Norwegen die Notwendigkeit, junge Menschen ins Boot zu holen, um die SDGs zu erreichen. Als Treibkraft für Veränderungen und als zukünftige Bewohner unseres Planeten sind junge Menschen die wichtigste Zielgruppe der SDGs. Die Ziele, die in „Save Tropical House“ angesprochen werden – Ziel 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) und Ziel 15 (Leben an Land) – haben die oberste Priorität der norwegischen Regierung in Sachen SDGs. Um diese Ziele zu erreichen, sind ungewöhnliche Ansätze der richtige Weg.
„Save Tropical House“ erreichte einen von sechs Menschen in der Zielgruppe der 15- bis 26-Jährigen. Sie verbrachten durchschnittlich fünf Minuten auf der Spiel-Website. Das Youtube-Video zum Song von R.E.D.D. wurde 125.000 Mal angeschaut, über alle Plattformen wurde er 1,3 Millionen Mal gestreamt.
„Save Tropical House“ beweist, dass das Parodieren von kulturellen Phänomenen und Plattitüden der Klimaschutz-Rhetorik nicht unbedingt zynisch wirken muss, sondern sogar hilfreich sein kann, wenn man die richtigen Menschengruppen anspricht. Wenn die 17 Ziele ein wenig ihrer trockenen Ernsthaftigkeit verlieren, können wir viele neue Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen.