Von der Theorie zur Tat: Nachhaltige Kommunen durch klugen Wissenstransfer
Die Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ist eine globale Aufgabe, aber sie beginnt bei uns allen vor Ort, in der Kommune. Denn die Gemeinden sind zentrale Akteure, wenn es darum geht, nachhaltige Entwicklung konkret werden zu lassen. Ob Klimaschutz, die Förderung hochwertiger Bildung, nachhaltige Städte und Gemeinden, Gesundheit und Wohlergehen oder Maßnahmen für sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen – kommunale Entscheidungsträger stehen an vorderster Front.
Wissenschaft kann dabei wertvolle Impulse geben. Doch damit Wissen in kommunalpolitischen Entscheidungen ankommt, braucht es gezielten und gut organisierten Wissenstransfer zwischen den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) sowie der kommunalen Politik und Verwaltung.
Denn: Nachhaltigkeit braucht Wissenstransfer – und dieser lebt von Austausch (bi-direktionaler Dialog), Partnerschaft und Offenheit.
Wissenschaft als Fundament lokaler Nachhaltigkeitsstrategien
Entscheidungen auf kommunaler Ebene prägen vor Ort - in der Region - die Lebensqualität, wirtschaftliche Entwicklungen sowie den sozialen Zusammenhalt und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Wissenschaftliche Erkenntnisse können in diesem Spannungsfeld Orientierung bieten. Sie helfen, komplexe Herausforderungen zu durchdringen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Eine Studie des Internationalen Zentrums für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigt: In vielen Fällen fehlt es an systematischem Wissenstransfer. Es bleiben Chancen für eine stärkere Verankerung der SDGs in kommunalen Strategien ungenutzt.
Hochschulen als Brückenbauer zwischen Theorie und kommunaler Praxis
HAWs arbeiten praxisnah, regional vernetzt und anwendungsorientiert. Sie sind prädestiniert, Kommunen bei der Erreichung der SDGs zu unterstützen – sei es mit Forschung zu klimafreundlicher Mobilität, inklusiver Bildung, nachhaltigem Wirtschaften oder resilienter Infrastruktur. Beispielsweise wünschen sich viele Kommunalpolitiker*innen laut Studie einen intensiveren, strukturierten Austausch mit Wissenschaftseinrichtungen.
Drei Hebel für wirksamen Wissenstransfer – Verfügbarkeit, Verständlichkeit, Vernetzung
- Verfügbarkeit: Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen bei den Entscheidungsträgern ankommen. Kommunen benötigen leicht zugängliche, verlässliche und aktuelle Informationen – abgestimmt auf ihre konkreten Fragestellungen.
- Verständlichkeit: Forschungsergebnisse müssen so aufbereitet werden, dass sie in kommunalen Entscheidungsprozessen anwendbar sind. Wissenschaft darf dabei nicht ihre Tiefe verlieren, sie muss verständlich, zugänglich und relevant für die kommunale Praxis sein.
- Vernetzung: Persönlicher und digitaler Austausch schafft Vertrauen und fördert gemeinsame Lösungsansätze. Regionale Wissensplattformen, Dialogformate oder inter- und transdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppen könnten helfen, die SDGs in den Kommunen zu verankern.
Bringschuld der Wissenschaft – oder Holschuld der Politik? Wissenstransfer braucht beide Seiten!
Viele Kommunalpolitiker*innen, sehen die Wissenschaft in einer aktiven Rolle – einer Bringschuld (Umfrage Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) / Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 2024). Wissenschaftliche Institutionen sollen Impulse setzen, Kooperationen initiieren und Ergebnisse pro-aktiv teilen. Doch auch die Kommunalpolitik selbst bleibt gefragt: Sie kann durch Offenheit für Forschungsergebnisse und gezielte Nachfragen den Wissenstransfer fördern.
Wissenstransfer mit System: Drei Akteure für mehr Wirkung
- Hochschulen können ihre Transfer-Angebote weiter ausbauen, themenspezifische Ansprechpersonen benennen und praxisnahe Kurzformate zu den regional erkannten SDG-Handlungsfeldern anbieten.
- Kommunen können regelmäßige Kooperationen institutionalisieren, zum Beispiel in Form von „Wissenschafts-Sprechstunden“ oder gemeinsamen Projekt-Werkstätten.
- Bund/Länder sollten entsprechende Förderprogramme langfristig sichern, um Wissenstransfer nicht von Zufällen oder Einzelpersonen abhängig zu machen.
Wissen teilen, Zukunft gestalten – Brücken bauen für die SDGs
Kommunen tragen entscheidend dazu bei, die SDGs zu erreichen. Um diesen Auftrag zu erfüllen, bedarf es wissenschaftliche fundierte Grundlagen für die strategischen und operativen Entscheidungen der Kommunalpolitiker*innen. Der Wissenstransfer zwischen HAW und kommunaler Politik kann ein essenzieller Erfolgsfaktor sein: er kann den Weg zu klugen Lösungen ebnen.
Die Potentiale sind vorhanden. Jetzt gilt es, die bestehenden Strukturen zu nutzen und gemeinsam (HAW, Kommunalpolitik und auch kommunale Verwaltungen) weiterzuentwickeln. Denn: Nachhaltigkeit braucht Wissenstransfer – und dieser lebt von Austausch (bi-direktionaler Dialog), Partnerschaft und Offenheit.
Verfasserin:
Angela Turck, Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
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Wissensaustausch in Entscheidungsprozessen: Kommunikation an den Schnittstellen von Wissenschaft und Agrarpolitik in Wissensproduktion und Wissenstransfer: Wissen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit.
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